Skitourenwoche 2022

Vom Corvatsch nach Morteratsch

Die Vorbereitung ist das A und O. Was kommt alles mit? O je, das passt ja nie in den Rucksack. Es muss aber, denn es ist schon auf das Minimum reduziert. Also gut, der neue, leichtere Rucksack wird so vollgestopft, dass er nicht auf längere Zeit tragbar ist. Der alte (schwerere) Rucksack passt mit dem guten Tragesystem und mit dem gleichen Gepäck viel besser. Marschtee und Fischbrötchen werden schon am Vorabend vorbereitet, denn der Wecker meldet sich ja schon bald wieder.

Tag 1

6.38 Uhr ab Bahnhof Baden. Alle waren pünktlich und erfreut, denn Schnee hatte es Frischen gegeben und die Wetteraussichten standen gut. Erste Gedanken, ob die Kleiderwahl wirklich gut war, machen mich unsicher. Die ¾-Unterziehhose und das geliebte Langarmwollshirt sind zu Hause geblieben. Es wird sich zeigen…

Um 12 Uhr sind wir mit der Seilbahn auf dem Corvatsch angekommen, aber es gab keine Pommes, sondern bereit machen zur Abfahrt. Die Sicht war mässig und die Temperaturen auf knapp 3’300m waren frostig. Langsam begaben wir uns Richtung des angekündigten Felsbandes, das zum Glück mit Fixseilen ausgestattet war. Die Bouldereinlage war dann recht verblockt und mit den wackeligen Skiern auf dem Rucksack nicht so entspannt. Bei 2’450m fellten wir auf (=Felle anbringen), nach einem kurzen Anstieg erreichten wir die Coaz-Hütte auf 2’611m. Erstmal etwas hinlegen und «abefahre». Die Höhe und die Anspannung der Kletterei stecken noch in den Knochen. Bald gab es Apero und ein feines Nachtessen. Leider war’s im vollen Speisesaal sehr laut, dafür nachts im Zimmer nicht.

Tag 2

Heute stand die «Nonne» auf dem Programm. Der Berg La Muongia ist am oberen Ende des Roseg-Gletschers. Die letzten 50m zum Gipfel machten wir zu Fuss, das «Aklimatisierig» bedeutend besser ging als am Vortag. Die Sonne war sehr intensiv, die Temperaturen stiegen an, die ¾-Hose vermisste ich gar nicht. Um das Maximum aus der Tour zu machen und uns einen weiteren super Pulver-Hang zu ermöglichen, machten wir noch einen Aufstieg, so dass wir auf knapp 1’300 Höhenmeter kamen. Das wohlverdiente Bier mit Aperoplättli genossen alle sehr. Das Nachtessen war angenehmer, da die laute Gruppe von gestern weg war. Dafür lag nachts der eine oder andere auf dem Rücken… ☹

Tag 3

Bei herrlicher Morgenstimmung über dem Rosegtal, zogen wir schon früh Richtung La-Sella (3’584m) los. Die Temperaturen waren noch mehr angestiegen, so dass mit der starken Sonneneinstrahlung keine Stirne trocken blieb. Nach 900 Höhenmetern machten wir ein Skidepot. Den Gipfel erreichten wir wieder zu Fuss mit Pickel und Steigeisen.

Die geniale, stiebende Abfahrt in einem Seitental des Gletschers war sehr eindrücklich: diese Eisberge und Spalten so extrem nahe zu erleben. Mit Tom Rüeger als Bergführer bin ich da sehr gerne unterwegs. Anschliessend standen noch die 450m Aufstieg auf die Fuorcla da la Sella zur italienischen Seite an. Es brachte alle an ihre Grenzen. Der Getränkenachschub blieb aus und die starke Sonne brannte erbarmungslos. Mit schwindenden Kräften fuhren wir zum Refugium Marinelli. In der riesigen Hütte war es SEHR kalt. Der Specksteinofen war der zentrale Punkt im Essraum. Das Aperoplättli war riesig und auch das Essen, alla Italia, reichlich und lecker.

Leider konnte Dani diese Hütte nicht lange geniessen. Er hatte sich bei einem Sturz kurz vor der Hütte verletzt und musste ausgeflogen werden.

Dani

Tag 4

Am frühen Morgen erkannten wohl die meisten die Vorteile einer Trockentoilette gegenüber eines WC ohne Wasser. Ich hätte deswegen gleich mit dem Bràulio (Schnaps aus Bormio) vom Vorabend weiter fahren können, um wieder den feinen Duft von Veltliner Kräutern in der Nase zu haben. Aber heute war die Königsetappe auf den Piz Palü angesagt. Anfangs steil auf hart gefrorenem Schnee entspannte sich die Lage auf den nach Süden ausgerichteten Gletschern zum besinnlichen Aufstieg…bis hinter mir Dani M. mit einem Bein in einem Gletscherspältchen einbrach. So störrisch wie ein Maulesel zog ich Dani am Seil wieder hoch, dass mir der Schweiss auf die Stirn schoss.

Auf dem weiteren Aufstieg zum Piz Palü (3’899m) über den Altipiano di Fellaria ist wieder mal eine gute Kondition gefragt. Nach mehr als 1’000 Höhenmeter am Stück freute ich mich auf die Abfahrt. Die Abfahrt? Keineswegs. Mit Steigeisen und aufgebundenen Skier vernichteten wir 250Hm auf dem spitzigen Ostgrat in Einerkolonne. Jeder Schritt musste passen. Nach links und rechts wäre es ziemlich steil abgegangen…

Die anschliessende Abfahrt auf dem Persgletscher war abenteuerliches Geniessen mit wechselnden Schneeverhältnissen von 3’730m bis runter auf 2’380m. Präzises Halten der Spur zwischen den blau schimmernden Abgründen war ein lebenserhaltendes Muss.

Auf der Bowal hatten wir die Hütte für uns alleine, genug Flüssiges und die Stube war gut aufgeheizt – eine Wohltat der beiden Hüttenwarte.

Tag 5

Auf den ersten Metern kam vor allem James kaum mehr vorwärts weil er immer wieder tief in den Schnee einsank. Die Moral von der Geschicht: Auch lange Beine nützen nicht!

Steffi musste sich unten auf dem Gletscher von uns verabschieden. Der Ernst des Alltags rief. Die verbleibende Gruppe hingegen war heiss auf eine weitere Gletscherabfahrt ausgeheckt von Tom. Die Route verlief auf dem einen Arm des Morteratschgletschers noch ohne vorhandene Skispuren. Eine ganz wilde Sache. Die Choreografie wurde am Vorabend auf der gemütlichen Hüttenterrasse beim Bier einstudiert.

Also stiegen wir über die Gemsfreiheit unter die Fortezza und querten durch einen Steilhang auf den Gletscher. Vor uns lag der unberührte Gletscher in all seiner Pracht. Ein wunderbarer Abschluss stand uns bevor, ein richtiges Happy End.

Zwei Stunden später fanden wir uns in der Zivilisation im Restaurant Morteratsch wieder. Unser Material trocknete an der Sonne und wir tranken und assen bis wir planmässig unsere reservierten Bahnabteile für den Nachhauseweg benutzen konnten.

An dieser Stelle danke ich und im Namen aller unserem Bergführer Tom Rüeger für die umsichtige Begleitung unserer heterogenen Gruppe und Thomi Erne für die perfekte Organisation.

Max

Alle Fotos zur Tour findest du in diesem Album.

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